Superéthanol wird immer beliebter
Die Kraftstoffsorte E85 gilt in Deutschland eher als Relikt. In Frankreich hingegen steigt der Markanteil stetig – und macht dank Tankrabatt zum Herbst 2022 einen großen Sprung. Warum Superéthanol in Frankreich boomt und in Deutschland nie eine Chance hatte.
Während in Deutschland am 1. September 2022 der Tankrabatt endete und die Spritpreise erneut in die Höhe schossen, weitete Frankreich den Rabatt aus. Bis zu 30 Cent weniger kostet in dem Nachbarland der Liter Kraftstoff. Mit Abstand am günstigsten ist Superéthanol-E85.
E85 bedeutet 15 % Benzin und bis zu 85 % Bioethanol. Ethanol wird durch alkoholische Gärung von Biomasse, also pflanzlichen Rohstoffen, und nachgeschalteter Destillation hergestellt. Der große Vorteil liegt am enormen CO2-Einsparpotenzial des Biokraftstoffs: Beim Verbrennen im Automotor werden nur so viele Treibhausgase ausgestoßen, wie die Pflanzen im Wachstum aufgenommen haben. So reduziert Bioethanol die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus um mehr als 40 Prozent gegenüber fossilem Benzin.
Und auch der Autofan spürt den Unterschied: Durch den hohen Alkoholgehalt erreicht E85 eine Klopffestigkeit von bis zu 107 Oktan – und damit höhere Werte als das in Deutschland gängige SuperPlus oder Luxuskraftstoffe für leistungsstarke Motoren. Je mehr Oktan, desto besser der Wirkungsgrad des Motors und damit einhergehend das Leistungspotenzial. Im Motorsport greifen die Teams daher immer häufiger zu höheren Alkoholmischungen.
Ermäßigungen auf Bioethanol in Frankreich
Seit 2017 wird die klimafreundliche Alternative zu Benzinkraftstoffen in Frankreich immer beliebter. Besonders seit der Corona-Pandemie stieg der Verbrauch zuletzt so stark an, dass E85 seinen Marktanteil in Frankreich auf 6,2 % verdoppelt hat. Der französischen Bioethanolindustrie SNPAA zufolge sind auch im direkten Jahresvergleich große Unterschiede zu erkennen: Im Zeitraum Mai 2021 bis April 2022 wurden 53 % mehr Superéthanol als im Vorjahr verkauft.
Kein Wunder, immerhin unterstützt Deutschlands größtes Nachbarland seit jeher durch eine ermäßigte Kraftstoffsteuer auf E85 und andere Gesetze den Verkauf von Benzinsorten mit hohem Ethanolanteil. Mit Erfolg: im September 2022 gibt es Superéthanol so gut wie an jeder vierten Tankstelle für etwa 70 Cent.
Kein Comeback in Deutschland zu erwarten
Doch wenn E85 so ein Renner in Frankreich ist, warum gibt es den Kraftstoff dann nicht (mehr) in Deutschland? Bis Ende 2015 gab es hierzulande rund 300 Tankstellen, die ihn angeboten haben. Damals war Bioethanol nach dem Energiesteuergesetz von der Mineralölsteuer befreit. Entsprechend günstig war der “Bio-Super”. Tatsächlich war der Literpreis so gering, dass es sich für Autofahrer lohnte, E85 zu tanken, obwohl der Mehrverbrauch durch den hohen Alkoholgehalt um etwa 30 % höher war als beim üblichen Super. Dennoch erreichte die Mischung lediglich einen Anteil von 0,11 % am Benzinmarkt. Als mit Jahreswechsel die Vergünstigung auf Biokraftstoffe wegfiel und sie genauso hoch besteuert wurden wie Benzin und Diesel aus fossilen Quellen, lohnte sich E85 weder für Tankstellenbetreiber noch für Autofahrer.
Obwohl die Technik ethanolbetriebener Motoren weit fortgeschritten ist, haben es Biokraftstoffe in Deutschland einfach schwer. Und es liegt nicht am Autofahrer oder der Automobilindustrie. Denn seitens beider gibt es Bestrebungen und Lösungen: Wenige Hersteller, wie etwa Ford und VW, vertreiben auch in Deutschland sogenannte Flex-Fuel-Vehicles (FFV). Sie können mit einem beliebigen Mischungsverhältnis betankt werden. Ein Sensor in der Motor-Steuerelektronik erkennt die Verteilung von Benzin und Ethanol und signalisiert dem Motormanagement den passenden Zündzeitpunkt. Selbst Hochleistungssportwagen von Koenigsegg liefern seit Jahren Modelle aus, die mit E85 betankt werden können; die letzten kamen 2022 auf den Markt.
Wer kein FFV kaufen will, kann seinen alten Benziner auch mit einer Umrüstungsbox nachrüsten. Voraussetzung ist, dass alle Materialen im Kraftstoffkreislauf (Einspritzventile, Kraftstoffpumpe, Kraftstoffleitungen, Tank, …) mit Bioethanol verträglich sind. Die Kosten variieren von 500 bis 900 Euro. Laut einer Durchrechnung vom küs-Magazin mache sich eine Umrüstung allerdings schon nach etwa 25.000 Kilometern bezahlt, wenn der Liter E85 1,15 Euro (und E5 1,68 Euro) kostet. Das entspricht durchschnittlich zwei bis drei Jahren.
Ein Comeback in Deutschland würde sich also lohnen, wenn die Politik mitzöge. Solange Biokraftstoffe wie ihre fossilen Gegenstücke besteuert werden, gibt es für Autofahrer keine Entlastung und demnach auch keinen Anreiz umzusteigen.
Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass sich die Gesetze in diese Richtung entwickeln, wie das Beispiel E10 zeigt.